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📖 Recovery Cat - Health Tech Open Source Software

Unser digitales Therapie-Follow-Up Tool für Patient:innen mit schweren psychischen Erkrankungen haben wir 2020 im Prototype Fund gestartet und danach innerhalb der Charité weiterentwickelt. Unsere Erfahrungen insbesondere zur Entwicklung eines Geschäftsmodells, Fördermöglichkeiten und Regulierung als Medizinprodukt haben wir hier beschrieben. Meldet euch gern, wenn ihr ebenfalls innerhalb des Prototype Funds eine Health-Tech-Lösung baut: alissa@recovery.cat

1. Unsere Zeit im Prototype Fund 2020

Wir waren in der Kohorte 2020 mit Recovery Cat mit dabei und haben seitdem nicht nur das Produkt weiterentwickelt, sondern auch unsere Strategie, langfristig in die Versorgung zu kommen und dafür bezahlt zu werden (was voraussichtlich Anfang 2023 der Fall sein wird - Medizinprodukte haben einen langen Weg!). Recovery Cat ist ein personalisierbares Therapie-Follow-Up für Patient:innen mit schweren psychischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Bipolarer Störung und chronischer Depression. Das Ziel ist es, durch kontinuierliche Verlaufsdaten der Symptome, Nebenwirkungen und Medikamenteneinnahme Patient:innen besser unterstützen zu können, vor allem in den langen Zeit zwischen den Behandlungsterminen. Recovery Cat ist ein flexibles Toolkit, welches Psychiater:innen und Patient:innen gemeinsam anwenden und ihre Zusammenarbeit stärkt. Langfristig soll die ambulante Behandlung dadurch verbessert und Rehospitalisierung reduziert werden. Die App ist als progressive Web App konzipiert und schickt Daten über einen QR Code, so dass es keine zentrale Datenspeicherung gibt.

Während der Förderphase haben wir damals einen ersten Prototyp entwickelt (der damals noch etwas weniger spezifisch für den psychiatrischen Use Case war), aber auch parallel mit unseren Stakeholdern gesprochen (User, Krankenkassen, Kliniken) um herauszubekommen, wie wir Recovery Cat langfristig in die Versorgung bringen können und wie eine Anschlussfinanzierung aussehen könnte. Im Moment gibt es viel Förderung im Bereich Health Tech und ich kann jedem empfehlen, neben dem Produkt auch das Geschäftsmodell von Anfang an mitzudenken, um einen realistischen Weg in die Versorgung zu ermöglichen.

2. Post-Prototype Fund: Der Weg vom Prototypen zum Geschäftsmodell und Medizinprodukt

Während des Prototype Fund hat sich unser Team damals bereits erweitert. Zu Andreas (Entwickler) und mir (Klinische Psychologin, beruflicher Hintergrund Product Development) ist noch Jakob dazu gekommen (Psychiater an der Charité). Gemeinsam haben wir uns auf einen Accelerator der Charité (DHA, siehe unten) beworben und haben so eine Anschlussfinanzierung bekommen. Seit Oktober 2020 bereiten wir uns auf einen Markteintritt vor. Neben der Weiterentwicklung des digitalen Tools bedeutet dies vor allem zwei Dinge.

2.1 Entwicklung eines Geschäftsmodells. Wer zahlt für Recovery Cat? Wie kommt die App zum User? Im digitalen Gesundheitsbereich gibt es drei häufig genutzte Strategien:

  • B2C: die User zahlen direkt (z. B. Patient:innen oder Ärzt:innen). Dieses Modell funktioniert häufig eher schlecht, da vor allem in Deutschland Patient:innen gewohnt sind, dass Kassen für Leistungen zahlen. Bei Apps mit einer sehr großen (und eher gesunden) Zielgruppe im Wellness Bereich, wie z. B. Meditations-Apps, kann diese Strategie funktionieren.
  • B2B: hier würden z. B. Kliniken oder Unternehmen (z.B. bei Employee Health Produkten) zahlen. Funktioniert dann, wenn ein monetärer Gewinn für die Zahlenden durch die digitale Lösung entsteht – z. B. wenn Arbeitsabläufe deutlich vereinfacht oder Prozesse automatisiert werden (also eher Krankenhaussoftware, weniger für die Patient:innen).
  • Rückerstattung über die Kassen: dies scheint im Moment der beste Weg zu sein, bedeutet aber viel Aufwand, da das Produkt als Medizinprodukt klassifiziert sein muss und je nach Erstattung die Wirksamkeit klinisch nachgewiesen werden muss (viele Studien). Unterschieden werden kann hier zwischen Selektivverträgen mit einzelnen Kassen und der DiGA (Digitale Gesundheitsanwendung, neues Modell des Bfarms, um Apps besser skalieren zu können). 

Es gibt noch weitere Modelle (Datenspende für die Forschung, Pharma) sowie spezielle Open-Source-Business-Modelle, z. B. eine freie Nutzung der App und Monetarisierung durch Datenspende oder Freemium-Modelle mit zusätzlich bezahlten Features oder Beratungsleistungen: https://en.wikipedia.org/wiki/Business_models_for_open-source_software

2.2 Zertifizierung als Medizinprodukt. Ein Medizinprodukt seit ihr dann, wenn ihr Software zur Diagnose, Therapie und Monitoring von Krankheiten entwickelt. Das heißt nicht alle Health-Tech-Entwicklungen sind Medizinprodukte (z. B. Prozessoptimierung im Krankenhaus ist es i.d.R. nicht), aber es ist nicht eure eigene Entscheidung und ihr solltet es möglichst schnell klären. Wenn ihr die Kriterien für ein Medizinprodukt erfüllt, müsst ihr zertifizieren bevor ihr in den Markt geht. Das ist leider recht aufwändig und ihr braucht hierfür definitiv weiteres Funding über den Prototype Fund hinaus (ca. € 30-100 K). Guckt euch gern die Links unten dazu an.

Inspirationen für Open Source Software im Gesundheitsbereich mit großer User Base:
https://en.wikipedia.org/wiki/Nightscout
https://en.wikipedia.org/wiki/OpenAPS

Die Entwicklung bzw. Zertifizierung von Medizinprodukten verstehen:
Der Programmierer und Mediziner Oliver Eidel hat mit OpenRegulatory eine Open-Source-Datenbank zusammengestellt, um es Startups zu erleichtern, den Weg zum Medizinprodukt zu gehen. Alle Templates sind umsonst:
https://openregulatory.com/

Der Health Innovation Hub Berlin hat auf seinem Youtube Channel viele Aufzeichnungen von Talks zu Themen des Eintritts in das deutsche Gesundheitssystem für digitale Lösungen:
https://www.youtube.com/channel/UC7biqAPHlOdh24GcLKifUkw

Rückerstattung durch Kassen:
Die meisten Kassen arbeiten mit Startups zusammen bzw. haben Finanzierungsmöglichkeiten für die Produkte im Markt. Die TK hat z. B. ein Innovationsportal, in dem ihr online eine mögliche Zusammenarbeit beurteilen lassen könnt. Der Fragebogen, den man als Startup ausfüllt, ist auch hilfreich um zu validieren, ob eine Rückerstattungsstrategie in Frage kommen könnte (selbst, wenn man ihn am Ende nicht abschickt - guckt euch mal die Fragen an, das hilft):
https://www.tk.de/leistungserbringer/personengruppen/innovationspartner-2088352

Neben den direkten Verträgen mit Kassen können patientenzentrierte digitale Anwendungen auch über die DiGA erstattet werden. Damit hat man Zugang zu allen gesetzlichen Kassen bzw. Patient:innen und kann deutlich besser skalieren als über Selektivverträge. Die Zulassung ist wie oben beschrieben aber auch schwieriger:
https://diga.bfarm.de/de

Öffentliche Fördermöglichkeiten:

EIT Health von der Europäischen Union unterstützt europaweit Startups im Gesundheitsbereich, z. B. durch Mentoring und Accelerator-Programme:
https://eithealth.eu/

Acceleratoren/ Inkubatoren: 
Hier sind einige Anschlussprogramme an den Prototype Fund, die helfen eine Geschäftsstrategie zu entwickeln:

Der Digital Health Accelerator des Berlin Institute of Health an der Charité fördert Teams der Charité (Voraussetzung ist, dass mindestens der Clinical Lead von der Charité kommt) über einen längeren Zeitraum und unterstützt auch komplexere Produkte. Wir sind derzeit durch den DHA gefördert. Bei Interesse könnt ihr versuchen, gemeinsam mit Kliniker:innen der Charité ein Team zu formen und euch zu bewerben:
https://www.bihealth.org/de/translation/innovationstreiber/innovation/digital-labs/digital-health-accelerator

Das Spinlab in Leipzig gilt als einer der besten Acceleratoren in Deutschland und fördert u.a. Health Tech:
https://www.spinlab.co/de/

Masschallenge ist ein globaler Accelerator, Equity free und unterstützt u.a. speziell Health Tech Unternehmen durch Mentoring, Kurse, Investorensuche. Der Zeitaufwand aber auch das Funding ist hier deutlich geringer als bei den Programmen oben.
https://masschallenge.org/

Privates Funding: Des Weiteren gibt es natürlich klassische VCs die Health Tech fördern (für Open Source sind eigentlich alle offen, mit denen wir gesprochen hatten) oder spezialisierte Health Tech oder Impact Investoren sowie Business Angels. Dafür gebt ihr Anteile ab, könnt aber relativ frei über das Geld verfügen. Wenn eure Idee größeres Business-Potential hat (großer Markt, realistische Monetarisierungsstrategie), und ihr nach dem Prototype Fund schon relativ weit seid, könnte dies ein Weg sein. Für uns war es sinnvoll, erstmal in einen Accelerator zu gehen und unsere Geschäftsstrategie auszuarbeiten und zu validieren. VCs lassen sich recht einfach recherchieren und es gibt viele Datenbanken im Netz (z.B. Crunchbase). Die Kontaktaufnahme ist über Intros bzw. ein Netzwerk am besten.

Get in touch:
Meldet euch gern, wenn ihr innerhalb des Prototype Fund an Lösungen im Gesundheitsbereich arbeitet. Ich gebe gern Feedback zum Produkt und Ideen zur Monetarisierung und Finanzierung.

Alissa Rohrbach
alissa@recovery.cat
https://www.linkedin.com/in/alissa-rohrbach/